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für Gründerinnen

(Der Text erschien zuerst auf www.she-works.de)

Ulla Schweitzer gehört zum Team der Gründerinnenzentrale, der Erstanlaufstelle für Frauen in Berlin auf dem Weg in die Selbständigkeit und war mehrmals selbständig – zum Beispiel mit einem Café-Kollektiv und einem Restaurant. Für beides hat Ulla sich Geld geliehen. Dieser Artikel soll Gründerinnen ermutigen, die (finanziellen) Ressourcen ihres Umfeldes zu erkennen und zu erschließen.

Selbständigkeit – Unabhängigkeit

Als ich 1987 in das Kollektiv des Café Cralle einstieg, musste ich 2.000 DM einbringen. Dafür würde mir ein Viertel der Geschäftsanteile gehören. Das war eine ganz schöne Stange Geld. Ich steckte damals mitten in einem erfolglosen Studium fest, jobbte nebenbei bei der Post und hatte nichts gespart. Zudem war ich mir sicher, meine Eltern würden im Dreieck springen, wenn sie von meinen Plänen hörten. Eine Selbständigkeit in der Gastronomie war nicht das, was sie sich erhofften, als ich mit dem Jurastudium anfing. Ich schlug mich also nicht nur mit der Geldbeschaffung herum, sondern auch noch mit der Enttäuschung ihrer Erwartungen herum.

Mein Umfeld bestand hauptsächlich aus Menschen in ähnlichen Situationen. Ich fragte herum, doch niemand konnte so eine Summe erübrigen. Mehrmals bekam ich den Hinweis: Frag doch deine Eltern. Doch das kam nicht infrage. Erstens hatten wir keine besonders gute Beziehung und zweitens wusste ich doch, was sie sagen würden. Außerdem wollte ich selbständig sein, mich unabhängig machen – besonders von meinen Eltern. Wäre es da nicht paradox, es mit ihrem Geld zu tun? Doch da ich auch meine Geschwister nach Geld gefragt hatte, dauerte es nicht lange, bis meine Eltern Wind von der Sache bekamen. Der Anruf meiner Mutter versetzte mich in Erstaunen. Sie sagte: „Ich wusste doch, dass das Studium nichts für dich ist.“ Das war neu für mich. Und als sie ergänzte: „Wir würden dir das Geld geben“, war ich wirklich baff.

Mir gibt doch niemand Geld! Fragen, fragen und noch mal fragen

Ich schlug mich eine Weile mit der Entscheidung herum, denn ich hatte wirklich Angst, mich wieder von meinen Eltern abhängig zu fühlen. Dass sie sich einmischen würden. Am Ende waren diese Befürchtungen unbegründet. Meine Eltern waren entspannt. Am Ende verzichteten sie sogar auf die Rückzahlung. Aber für mich war es trotzdem wichtig, vorher klar zu äußern, dass ich das Geld nur annehmen würde, wenn sie keine Bedingungen daran knüpften. Ganz wichtig war mir deshalb, dass wir einen Vertrag abschlossen, in dem wir alle Vereinbarungen festhielten.

Die Lektion, die ich daraus gelernt habe und die mir auch später wieder half, war: Denk nicht für andere. Nimm niemals etwas über ihre Motive an. Frag sie einfach. Wie vielen Menschen ergeht es wie mir damals. Sie nehmen an, dass andere nicht genug Geld haben, um es zu verleihen. Oder dass bestimmte Personen ihnen nichts geben würden. Dass die Menschen ihnen nicht zutrauen würden, das Geld sinnvoll einzusetzen und zurückzuzahlen.

Lebe mit dem Nein und lerne daraus

Natürlich gibt es Leute, auf die das zutrifft. Aber wir wissen nicht, wer uns unterstützen würde und wer nicht, wenn wir nicht fragen. Das Wichtigste dabei ist, für jede Antwort offen zu sein. Du musst bereit sein, ein „Nein“ zu akzeptieren. Wenn du deinem Gegenüber zugestehst, deine Bitte abzulehnen, ohne gekränkt oder ärgerlich zu sein, öffnen sich manchmal andere Türen. Oft sind diese Menschen bereit, dir ehrlich Auskunft zu geben, warum sie ablehnen, was dich bei der nächsten Person weiterbringen kann. Du lernst, deine Idee so zu präsentieren, dass sie für andere nach einer guten Investition klingt. Du lernst, Bedenken zu zerstreuen, bevor sie entstehen. Und manchmal kennen die Leute wieder andere Leute und tragen deine Idee weiter. Es ist also nicht so, dass ein „Nein“ wertlos ist.

Den Prozess, nach Geld für meine Unternehmen zu fragen, habe ich jedes Mal als sehr wertvoll und stärkend erlebt. Denn wenn die Menschen mir auch kein bares Geld für die Investition gegeben haben, so haben sie mich ermutigt und bestärkt, kritische Fragen gestellt, Hinweise gegeben. Und es gab sogar welche, die sagten, „wenn es mal eng wird, kannst du dich gerne bei mir durchfuttern“. Das Angebot habe ich gerne in Anspruch genommen, als sich die erste Zeit im Café als zäher herausstellte als geplant und ich kaum Geld verdiente. Diese Art von Unterstützung kann gut über Krisen hinweghelfen. Sie sollte deshalb ernst genommen und nicht vernachlässigt werden.

Sexismus bei der Kreditvergabe? Klein bleiben statt wachsen

Ein späteres Erlebnis mit dem Café hat mir, was das Thema Frauen & Geld betrifft, auf andere Weise die Augen geöffnet. Ich stellte fest, dass es egal ist, mit welcher Haltung WIR unser Unternehmen führen. Wir wurden trotzdem an den Vorstellungen anderer gemessen.

Als wir bei dem Kreditinstitut, das damals unser Geschäftskonto führte, abfällig behandelt wurden, konnte ich es erst gar nicht einordnen. Wir wollten unser Frühstücksgeschäft erweitern, um mehr Umsatz zu machen. Dafür wollten wir mit einem Geschäftskredit über zwei Jahre eine neue Spülmaschine anschaffen. Die Antwort, die wir bekamen, war ernüchternd: „Was Sie da machen, ist ja eher ein Hobby. Deshalb können wir Ihnen keinen Geschäftskredit gewähren.“ Zugegeben haben wir nicht die Riesenumsätze eingefahren, aber immerhin konnten wir zu Viert von dem Gewinn leben – bescheiden, aber ausreichend. Auch für die Rückzahlung des Kredits war Geld vorhanden.

Daran muss ich jetzt immer denken, wenn ich irgendwo lese, dass Frauen ja lieber „klein gründen“. Ich frage mich dann immer, ob sie das wirklich möchten oder ob sie nicht wie wir damals, klein gehalten werden, weil ihnen die Mittel zum Wachsen versagt werden.

Die „Lösung“, die uns vorgeschlagen wurde, hat dann dem Fass die Krone ins Gesicht geschlagen, aber uns blieb nichts anderes übrig, als einzuwilligen. Statt eines Geschäftskredites für einen niedrigen einstelligen Zinssatz überzogen wir unser Konto mit fast 15% „Zinsen für geduldete Überziehung“. Als Sicherheit mussten wir einen Sparvertrag über 10 Jahre abschließen. Weil wir nicht genug verdienten, wurden wir mit höheren Zinskosten bestraft und einer unnötigen Ratenzahlung in einen Sparvertrag. Meinem damaligen Ich würde ich heute raten, auch bei anderen Banken Informationen einzuholen und die Konditionen zu vergleichen.

Die einzige Genugtuung, die ich aus dieser Geschichte immer noch ziehe, ist unser finaler Auftritt bei dem Kreditinstitut, als wir bei der Übergabe des Cafés an das nachfolgende Kollektiv das Konto auflösten. Auf die Frage, ob wir für unser neues Unternehmen (ein Restaurant mit mindestens dem Zehnfachen an Umsatz im Vergleich zum Café) denn schon ein Konto hätten, antwortete ich: „Naja, jetzt, wo wir ein richtiges Unternehmen haben, gehen wir auch zu einem richtigen Kreditinstitut.“

Summen, die ich gar nicht denken kann

Das „richtige“ Unternehmen war ein Restaurant, bei dessen Übernahme sich unser Geld-Bedarf vervielfachte. Der Laden sollte 200.000 DM kosten. Als ich die Summe hörte, hatte ich Schwierigkeiten, sie mir konkret vorzustellen. Schon im Café Cralle waren Summen über 10.000 DM eher abstrakt. Aber vielleicht hat das auch geholfen, damit umzugehen. Wenn ich mir ausgerechnet hätte, wie viele Jahre ich dafür hätte arbeiten müssen, hätte ich vielleicht aus Angst einen Rückzieher gemacht.

So gab es aber verlässliche Umsatzzahlen eines gut etablierten Geschäftes. Die Planung besagte, dass wir den Kaufpreis innerhalb von 10 Jahren erwirtschaften würden. Und dann würde der Laden schuldenfrei sein und meiner Geschäftspartnerin und mir gehören.

Dieses Mal fragte ich zuerst meine Eltern. Meine Mutter sagte: „Aber Kind, du kannst doch nichts kaufen, was du dir nicht leisten kannst.“ Ich erklärte ihr, dass das ein ganz normaler Vorgang sei. Dass du mit geliehenem Geld etwas erwirtschaftest und damit das geliehene Geld zurückzahlst. Als ich sie erinnerte, dass ich doch mit den 2.000 DM für das Café nichts anderes gemacht hätte, sagte sie: „Ach, ich dachte, das Geld sei einfach verloren.“ Es kann wirklich verblüffend und seltsam sein, wenn Menschen keine Vorstellung von Selbständigkeit haben.

Finanzierung durch Beteiligte

Es stellte sich schnell heraus, dass wir nicht in der Lage sein würden, die komplette Summe aufzutreiben. Ein Lieferant hatte angeboten, dass wir einen noch laufenden Kredit übernehmen könnten, wenn wir 20% als Eigenkapital beisteuern würden. Damit wäre die Hälfte des Kaufpreises abgedeckt. Uns gelang es, die Summe zu beschaffen, aber weiteres Geld schien nicht verfügbar zu sein.

Wir verhandelten also mit den Besitzern über den Preis. Sie hatten schon einen neuen Laden gekauft und standen deshalb etwas unter Zeitdruck, was unsere Position stärkte. Sie argumentierten, dass der Preis schon extrem fair sei, was wir durchaus bestätigten. Aber wenn wir es doch nicht bezahlen konnten! Ich kann mich nicht mehr erinnern, wer auf die Idee kam, aber eigentlich war es nur logisch und praktisch. Wir zahlten eine Hälfte sofort und für die zweite Hälfte des Betrags räumten sie uns eine zehnjährige Zahlungsfrist ein. Faktisch hatten also die Vorbesitzer uns den Kredit für den Kauf gegeben.

Für uns hatte das nicht nur den Vorteil, dass wir das Geld nicht sofort beschaffen mussten. Für mich war diese Regelung ein sehr wichtiger Vertrauensbeweis. Sie sagten uns indirekt damit: „Wir vertrauen darauf, dass ihr es mit diesem Restaurant schafft, uns das Geld zu zahlen.“

Haben wir das Geld zurückgezahlt?

Wahrscheinlich fragen sich einige, die diesen Bericht lesen, wie die Sache ausgegangen ist. Konnten wir den Plan erfüllen und konnten das Restaurant nach zehn Jahren stolz unser eigen nennen?

Nein.

Die Gentrifizierung des Wedding und ein expansionswütiger Unternehmer in der Nachbarschaft machten uns große Schwierigkeiten bei den Verhandlungen für unseren Mietvertrag. Da absehbar war, dass der Unternehmer uns am Ende der Laufzeit sowieso gnadenlos überbieten würde, nutzten wir die Gelegenheit. Er kaufte uns aus allen unseren Verpflichtungen heraus, damit wir den Laden räumen. Vor einigen Jahren ging er pleite, seitdem stand der Laden leer. Immer wenn ich dort vorbeigehe, denke ich ein bisschen sehnsuchtsvoll an die Zeit dort zurück und frage mich, ob es sich für den Vermieter letztlich wirklich gelohnt hat, uns dort zu verdrängen.

Das Restaurant fand eine U-Bahnstation weiter eine neue Heimat, allerdings ohne mich. Doch für mich waren die Jahre dort eine wichtige Erfahrung, von der ich heute noch zehre. Auch wenn am Ende nicht alles nach Plan lief, war es gut, es getan zu haben.

Wie frage ich nach Geld?

Immer wieder begegnen mir in meiner täglichen Arbeit Frauen, die nicht auf die Idee kommen, im Umfeld nach Geld zu fragen. Dabei wird der überwältigende Teil von Gründungen mit Eigenkapital oder Geld aus dem Umfeld („eigenkapitalähnliches Geld“) finanziert. Das gilt für Frauen noch häufiger, weil sie in der Regel einen schlechteren Zugang zu fremdem Geld (Förderungen, Kredite, Venture Kapital etc.) haben.

Deshalb ist es wichtig, Frauen zu unterstützen, die genderspezifische Diskriminierung zu überwinden. Sie müssen gut vorbereitet sein, um nicht in die Fallen von geschlechtsspezifischen Fragestellungen zu tappen oder sich von abwertenden Äußerungen entmutigen zu lassen. Die Gründerinnenzentrale bietet mit dem jährlichen Forum immer wieder Einblicke, Expertise und Erfahrungen, um Gründerinnen und Unternehmerinnen zu den Themen „Finanzierung und Geld“ zu sensibilisieren und Zugang zu verschiedenen Finanzierungsmöglichkeiten zu verschaffen.

Neben meinem Job in der Gründerinnenzentrale teile ich meine Erfahrungen und Überzeugungen zum Thema Geld – nicht nur als Selbständige, sondern auch als Person, die selber in Unternehmen investiert. Ich möchte besonders als Frauen sozialisierte Personen dabei unterstützen, eine hilfreiche Haltung und einen guten Umgang mit Geld zu finden.

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